Zur Beachtung.
Dieser Roman ist Fiktion. Namensübereinstimmung mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig gewählt und nicht beabsichtigt wie ebenso alle Ortsnamen und Institutionen willkürlich gewählt sind und keinen Bezug zur Realität haben!
Der Autor
DEM SOHNE VERFALLEN
Roman aus den 1970-ger Jahren.
(C) 2016 by MASOSTUD
Kapitel I Die „erfreuliche“ Mitteilung
Dr. Häberle beugte sich zwischen die fast rechtwinklig gespreizten Oberschenkel seiner Patientin, die in den Halbschalen des gynäkologischen Stuhles lagen. Er inspizierte das Scheideninnere, dessen Schleimhautwände sich im Spekulum gut darstellen ließen.
„Ja, der Muttermund ist leicht violett verfärbt, Frau Feiler, das ist typisch,“ murmelte der Arzt mit seinem nach unten gebeugten Kopf in den Schoß der Frau.
Was den Gynäkologen allerdings stutzig machte, waren die Schamlippen bzw. der vordere Teil der Vulva: die enthaarten großen Schamlippen waren dick aufgeworfen, gereizt und stark durchblutet; nun ja, das konnte vom Rasieren kommen. Aber auch die kleinen, inneren Schamlippen waren geschwollen, knallrot, als wenn sie entzündet wären.
Dr. Häberle war alles Menschliche nicht fremd. Er war allerdings schwul und lebte mit einem etwas jüngeren Mann zusammen. Dass Frauenärzte statistisch überproportional homosexuell waren oder wurden, ist nicht verwunderlich, denn wenn man den ganzen Tag immer nur (oft genug ungepflegte oder gar unappetitliche) Frauenscheiden ansehen muss, hat man am Feierabend die Nase voll davon und möchte nicht auch noch danach damit konfrontiert werden. Viele Leute in Stuttgart wussten, dass Dr. Häberle homophil war, manche mieden ihn deshalb, aber er war ein guter Gynäkologe, und Sabine war die sexuelle Neigung des Frauenarztes vollkommen egal, solange er ein vertrauens-würdiger, guter Arzt war.
Häberle machte sich so seine Gedanken … entweder war die gepflegte Dame eine sogenannte Edelnutte und hatte ein Dutzend Herrenbesuche in ihrem Appartement oder ihr neuer Freund oder Lebensabschnittspartner, wie man das heutzutage nennt, war ungeheuer stark zwischen seinen Beinen gebaut. Ein Blick etwas weiter nach unten in die einsehbare Gesäßkerbe bestätigte ihm seinen Verdacht auch auf häufigen Analverkehr, denn auch der Schleimhaut-bereich des Anus war gerötet und diskret geschwollen, als ob sie Hämorrhoiden hätte. Er kannte dieses Phänomen ja von seinem Lebenspartner, mit dem er sexuell praktisch auch nur anal verkehrte.
Der Frauenarzt hob seinen Kopf aus dem Schenkel-dreieck der vor ihm auf dem Gynäkologenstuhl halb nach hinten gelehnten Frau hoch und fragte sie: „Ihre Scham-lippen und der Eingang zu Ihrer Vulva sind stark überreizt. Wollen Sie zuhause sich selber Sitzbäder mit Kamillen-extrakt machen oder soll ich Ihnen eine entzündungs-hemmende Salbe aufschreiben?“ – „Ich mache mir lieber Sitzbäder, Herr Doktor,“ versicherte die Dame von Mitte Dreißig eilfertig.
„Schön,“ sagte Dr. Häberle dazu „nicht dass Sie mir noch eine Bartholinitis1 entwickeln, das wäre in Ihrem Zustand sehr unangenehm, Frau Feiler! Zudem mir Ihr Analring auch sehr gereizt erscheint, dafür wären die Sitzbäder auch von Vorteil.“
Die Patientin schwieg betreten. Das wusste sie ja selbst, dass ihr Anogenitalbereich überreizt war. Und was den „Zustand“ betraf, hatte sie ja Ähnliches befürchtet, deshalb hatte sie den Gynäkologen ja aufgesucht.
Nachdem Dr. Häberle, ein gutmütiger, etwas untersetzter, deutlich ergrauter Mann von Ausgang der Fünfziger, seine klinische Untersuchung beendet hatte, stand der Arzt auf, sah seiner Patientin in die erwartungsvoll blickenden Augen und verkündete:
„Frau Feiler, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass Sie in guter Hoffnung sind, meiner Schätzung nach Anfang der neunten Woche. Wann hatten Sie Ihre letzte Regel?“ Lächelte der Gynäkologe freundlich.
„Ja, die letzte begann am fünften Juli, Herr Doktor. Und an meiner Schwangerschaft besteht Ihrerseits kein Zweifel?“ Fragte Sabine Feiler, als ob sie beunruhigt sei, dass er sich irren könnte. Sie ließ, so gut es ihr möglich war, ihr Erschrecken sich nicht anmerken.
„Nein, ich bin mir ziemlich sicher, und meine Laborantin wird jeden Augenblick mit dem Ergebnis des Urintests zu mir kommen. Wer ist denn der glückliche Vater in spe?“
Sabine bekam einen roten Kopf und sagte nur: „Oh, der weiß noch gar nichts von seinem äh ― Glück. Das wird eine schöne Überraschung für ihn sein!“
Und bevor Dr. Häberle bemerkte, dass seine Patientin seine eigentliche Frage gar nicht konkret bzw. nur ausweichend beantwortete hatte, ging nach kurzem Anklopfen die Türe zum Untersuchungszimmer auf und die weiß bekittelte Laborantin trat herein und legte ein Laborblatt auf den Schreibtisch des Frauenarztes.
„Sie können sich wieder ankleiden, Frau Feiler,“ sprach der Doktor beiläufig, ging hinüber zu seinem Schreibtisch und setzte dort seine Lesebrille mit einem dünnen Nickelgestell auf, um das Laborblatt zu studieren.
Sabine verschwand hinter den Umkleidevorhang, während Dr. Häberle sich Notizen machte und in den Raum sprach: „Ja genau, der Schwangerschaftstest ist positiv, neunte Woche, wie ich schon vermutet habe. Herzlichen Glückwunsch!“
„Danke, Herr Doktor,“ antwortete geistesabwesend Sabine Feiler ganz automatisch.
„Ansonsten sind Ihre Blutparameter optimal, alles in Ordnung. Also, dann sehen wir uns wieder in ca. sechs Wochen. Lassen Sie sich von meiner Sprechstundenhelferin einen Termin vormerken. Auf Wiedersehen, Frau Feiler!“
Mit einem warmen Händedruck verabschiedete der Arzt seine Patientin.
* *
Fast wie angetrunken, jedenfalls benommen wankte Sabine aus der Arztpraxis hinaus. Schwanger in der neunten Woche! Das hatte sie geahnt, vielmehr befürchtet! Diesen Schlag musste sie erst einmal verdauen. Aber es hatte ja so kommen müssen, hatte sie doch auf dem Beipackzettel des Ovulationshemmers gelesen, dass auch bei regelmäßiger Einnahme im ersten Zyklus keine höchstmögliche Sicherheit der Schwangerschaftsverhütung bestünde. Wie konnte ihr so was mit fünfunddreißig Jahren passieren!
Zugegeben, sie hatte es in den letzten zwei Tagen irgendwie schon geahnt, als ihre Brüste so spannten und ihr morgens leicht übel wurde. Und dann war nun schon zum zweiten Mal die Regel ausgeblieben! Das erste Ausbleiben hatte sie nicht beunruhigt, weil bei der ersten Einnahme der Pille es gelegentlich zu Zyklusverschiebungen kommen kann.
Peinlich war auch die gutgemeinte, aber sie in Verlegenheit bringende Frage von Dr. Häberle, wer der glückliche Kindsvater sei. Er wusste ja aus den Versicherungsunterlagen, dass sie schon seit über acht Jahren geschieden war. Hätte sie ihm anvertrauen sollen, dass sie es selber nicht genau wusste, wer der glückliche Vater war? Es kamen nur zwei männliche Wesen in Frage, aber wer von den beiden? Peinlich, peinlich! Und keiner der beiden in Frage kommenden Väter wusste etwas von seinem „Glück“.
Was tun? Wenn sie das Kind austragen und entbunden haben würde, wen sollte sie beim Standesamt/Melderegister als Vater des Neugeborenen angeben? Unbekannt? Das konnte sie sich als einziges weibliches Mitglied und Anteilseignerin bei >Hergenröder & Feiler Co. KG< nicht leisten, zwar nicht in finanziellem Bezug, sondern vom Renommee her!
Also abtreiben, oder wie man heute sagt, eine Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen lassen? Dann musste sie sich schnell entschließen, denn nach der zwölften Woche war „der Ofen“ auf legalem Wege aus! Und zu einer Schwangerschaftsberatung müsste sie vorher auch noch gehen. Mein Gott, wie peinlich!
Und was würde der potentielle Kindsvater zu einer Abtreibung sagen? Oder sollte sie die Schwangerschaft verheimlichen und so tun, als sei alles in bester Ordnung, die Zeugung strikt verheimlichen und das wachsende Leben i*****l vernichten lassen?
Sabine war so in ihre Überlegung versunken, dass sie beinahe bei Fußgänger-Rot über die Fußgängerampel getappt und von einem Motorradfahrer erfasst worden wäre! Das hätte ihr jetzt gerade noch gefehlt! Ein Glück, dass der Motorradfahrer so geistesgegenwärtig war und mit einem eleganten Schlenker ihr ausgewichen war.
Wohin wollte sie eigentlich? Noch in der Firma vorbeischauen, wenn sie schon mal in der Stadtmitte hier in Stuttgart war? Nein, dazu stand ihr jetzt nicht der Sinn, ihr Kopf war voll mit anderen Gedanken! Also, gleich nach Hause. Sie sah auf ihre Armbanduhr: elf Uhr vierzig. Bruno war um diese Zeit noch in der Schule, Oberstufe Gymnasium. Demnächst stand er in der Oberprima vor seinem Abitur. Wie würde er eine Schwangerschaft seiner Mutter verkraften? Gerade in den letzten Monaten hatten sich seine schulischen Leistungen erfreulich gebessert, und dann dieses Ereignis! Hoffentlich würde es ihm psychisch nicht derart belasten, dass er in der Abiturklasse versagte.
Nur zu Hause konnte sie in Ruhe nachdenken und eine Lösung ihres neuen Problems suchen. ‚Mist! Wo habe ich denn mein Auto geparkt? ― Ach ja, Tiefgarage am Hauptbahnhof,’ fiel es ihr wieder ein.
Wie eine geistig Verwirrte rannte sie orientierungslos in der riesigen Tiefgarage umher. Endlich fand sie ihren Wagen. Sie zahlte am Kassenautomaten, stieg ein, fuhr aus der Tiefgarage raus und wühlte sich mit ihrem Mercedes durch den dichten Verkehr der Stuttgarter Innenstadt in Richtung Denkendorf, Kreis Esslingen. Unterwegs wirbelten die Gedanken nur so durch ihren Kopf. Wie hatte das Ganze angefangen? Wann genau war es soweit gewesen, dass sie sich nicht mehr beherrschen konnte und wie von einer Sturmflut hinweggespült wurde, ihr Verstand aussetzte und sie im Vertrauen auf die Pille so sorglos Geschlechtsverkehr hatte? War sie im besten Frauenalter pervers geworden?
Quietsch!!! Beinahe wäre sie einem Opel vor ihr ins Heck gedonnert. Gerade noch mal gut gegangen! „Sabine, konzentriere dich aufs Fahren, sonst kommt ein Missgeschick zum anderen! Zu Hause kannst du immer noch herumüberlegen und nach einer Lösung suchen…,“ befahl sie ihrem ratternden Gehirn.
Endlich wieder zu Hause, zog sie die Vorhänge ihres Schlafzimmers zu und legte sich psychisch ganz erschlagen ins Bett. Egal, dass es Mittagzeit und draußen glockenheller Tag war. Bruno würde sowieso nicht vor 16 Uhr auftauchen, denn heute war Dienstag, und da ging er mit seinen Freunden und speziell mit Jürgen zum Fußballtraining.
Sie war eingepennt. Aber es war kein erquickendes Ruhen. Wieder tauchten diese Alpträume auf!
Schweißgebadet schreckte sie hoch! Sie hatte sich schon vor den Schranken des Gerichts vor einem verständnislosen Richter gesehen, der sie noch schlimmer als die Staatsanwältin als verruchte Abartige beschimpfte….
Gott sei Dank, nur ein Alptraum! Der Elektro-Wecker auf dem Nachttisch zeigte 15.11 Uhr. Sie schlug die Bettdecke zurück, stand auf und wankte wie eine Betrunkene ins Badezimmer. Eine kalte Dusche brachte sie wieder zur Besinnung und klarem Kopf.
Ja, genauso war sie auch vor gut drei Monaten fast jeden Morgen aus einem Alptraum hochgeschreckt … Mit diesen verdammten Alpträumen hatte das Ganze angefangen.
Fortsetzung (Teil 2) folgt demnächst, sofern sie den Leser interessiert